Steve Porcaro verkauft Songrechte

26. Juli 2024

Der Toto-Musiker und Songschreiber spricht über den Verkauf seiner Songrechte – unter anderem an Michael Jacksons Nachlass – und berichtet, wie seine Kollaborationen mit dem King of Pop entstanden sind. Mehrmals sei dieser nach „Thriller“ unangekündigt in seinem Studio aufgetaucht…

„Chicago 1945“ und „Dream Away“ sind bis heute offiziell unveröffentlicht. „Human Nature“ wurde zum Mega-Hit und zu einem Lieblingssong Michael Jacksons. Als Quincy Jones um Demos für Michael Jacksons „Thriller“-Album gebeten hatte, übergaben die Toto-Musiker dem Produzenten zwei rockige Kompositionen vom führenden Toto-Songschreiber David Paich, sowie die „Human Nature“ Demo von Steve Porcaro, einen Song, den Toto nicht selbst aufnehmen wollten, dessen Potential Quincy Jones und Michael Jackson jedoch sofort erkannten und dann noch John Bettys für die Textoptimierung beizogen.

Jetzt hat Steve Porcaro die Rechte sämtlicher seiner selbst komponierten Song an das unabhängige Musikunternehmen Primary Wave und an das MJ Estate verkauft. Der Deal zu einem Betrag im niedrigen achtstelligen Bereich „ermöglicht es mir, für den Rest meines Lebens zu tun, was auch immer ich jetzt tun möchte“, sagt der 66-Jährige im Interview mit der New York Times. In den 2010er Jahren war er noch von einem Konzert zum anderen mit Toto auf den Bühnen rund um die Welt unterwegs. Nun könne er ohne finanziellen Druck an Musik arbeiten, einfach für sich.

Steve Porcaro hatte seine Songs schon einmal verkauft – im Jahr 1988 an Michael Jackson. Ein Geschäft, das er nach eigener Aussage bereut. „Ich befand mich in einer persönlichen finanziellen Situation und brauchte das Geld“, sagte Porcaro. Aber letztes Jahr bekam Porcaro diese Rechte zurück und begann Gespräche mit Primary Wave und dem Jackson-Nachlass.

Das Kleingedruckte von Porcaros neusten Verkauf respektive Katalogvertrag ist komplex. Aber im Wesentlichen teilen sich Primary Wave und der Jackson-Nachlass das Mehrheitseigentum an einer Handvoll seiner Songs, darunter „Human Nature“ und die beiden unveröffentlichten Jackson-Songs; viele weitere Stücke, darunter Porcaros Film- und Fernsehkompositionen, gehen an Primary Wave.

Porcaro wird einen Anteil von 15 Prozent am Katalog behalten, abgesehen von den beiden unveröffentlichten Jackson-Aufnahmen, die vollständig vom Jackson-Nachlass erworben werden.

Für den Jackson-Nachlass ist die Transaktion eine Möglichkeit, mehr von Jacksons Werken zu erwerben. „Wir wollen alles kontrollieren, was Michael gemacht hat“, sagte John Branca, Jacksons langjähriger Anwalt und Mitvollstrecker des Nachlasses, in einem Interview. Larry Mestel, der Gründer von Primary Wave, merkte an, dass der Deal den Anteil seines Unternehmens an Toto erhöht, da sein Portfolio auch den Katalog von Jeff Porcaro umfasst. (Primary Wave besitzt auch einen Minderheitsanteil an Jacksons Musikverlagsrechten).

Was mit den beiden unveröffentlichten Songs von Porcaro und Jackson geschieht, ist unklar. Branca sagte, der Nachlass konzentriere sich auf das bevorstehende Biopic und habe keine unmittelbaren Pläne, sie zu veröffentlichen.

Porcaro spricht über die Arbeit mit Michael

Nach „Human Nature“, den Michael Ende 1982 auf „Thriller“ packte, wollte er unbedingt direkt mit Steve Porcaro zusammenarbeiten. Porcaro und andere Mitglieder von Toto – einschließlich seines Bruders Jeff, dem Schlagzeuger der Gruppe gehörten zu den Studiomusikern, die das „Thriller“-Album einspielten. Als sich die Arbeit an dem Album dem Ende zuneigte, so Porcaro, fragte Jackson ihn, ob er an Songs für sein nächstes Projekt mit seinen Brüdern mitarbeiten wolle, woraus dann „Victory“ der Jacksons wurde.

„Natürlich habe ich ja gesagt“, erinnert sich Porcaro. Er übergab Jackson eine Kassette mit einem upbeat-Stück, an dem er gearbeitet hatte.

Ein paar Wochen später, so Porcaro, tauchte Michael Jackson unangemeldet in Paichs Heimstudio auf, wo Porcaro wohnte. „Ich habe eine Gesangs-Idee, die ich in unseren Song einbauen möchte“, habe MJ zu ihm gesagt. Er setzte sich ans Mikrofon und nahm neun Gesangslinien auf – Leadparts, Harmonien, Backups – mit einem Text, der sich auf Chicago im Jahr 1945 bezog, als die Cubs die World Series verloren. Jackson war nach etwa 40 Minuten fertig und ging abrupt.

„Neun Gesangsdurchgänge, vom Anfang bis zum Ende, und er spaltete es“, sagte Porcaro, immer noch in Ehrfurcht vor Jackson auf seinem Höhepunkt. „Es war perfekt gesungen. So etwas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen.“

Tage später, gegen 9 Uhr morgens, klopfte es erneut unerwartet an der Tür. „Lass uns etwas machen“, sagte Jackson. Diesmal schufen sie einen Song aus dem Nichts: „Dream Away“, eine sanfte Ballade mit ‚Human Nature‘-Vibes. Nachdem er den Text in einem Notizbuch skizziert und schnell seine Leadstimme aufgenommen hatte, machte sich Jackson wieder auf den Weg.

Steve Porcaro verließ Toto nach deren 1986er Album und spielte bis in die 90er Jahre auf Jacksons Soloalben, während er seine Karriere als Film- und Fernsehkomponist vorantrieb. Im Jahr 2010 schloss er sich Toto für eine einzige Tournee an, die sich jedoch zu einer Dekade von Konzerten entwickelte, bevor er die Gruppe wieder verließ. Die ganze Zeit über erinnerte er sich an die beiden unvollendeten Jackson-Songs.

„Ich habe immer gedacht: ‚Eines Tages werde ich Michael die Hand reichen und dieses Zeug zu Ende bringen’“, sagte Porcaro. „Man denkt immer, dass dafür noch Zeit sein wird.“ Doch dann starb Michael Jackson 2009, im Alter von 50 Jahren.

Porcaro digitalisierte die Originalbänder und begann vor ein paar Jahren mit der Arbeit an den Tracks, wobei er neue Mitarbeiter hinzuzog – darunter einige, die schon bei „Thriller“ mitgewirkt hatten, wie den Keyboarder Greg Phillinganes und den Bläser-Arrangeur Jerry Hey. „Dream Away“, das um ein Haar zu schnell aufgenommen wurde, erforderte eine computergestützte Tempokorrektur.

Ob die kürzlich illegal geleakten Versionen von „Chicago 1945“ und „Dream Away“ diese ergänzten Versionen sind, dazu äusserte er sich nicht.

Der originale Artikel von der New York Times: He Wrote Michael Jackson’s ‘Human Nature’ and Has 2 More in the Vault

Quelle: jackson.ch, nytimes.com

2 Kommentare zu “Steve Porcaro verkauft Songrechte

  1. Roman

    Vielen Dank für diesen spannenden Artikel! Schade dass Porcaro nicht auch über „For All Time“ gesprochen hat, welches auch aus seiner Feder stammt. Anscheinend hat Michael ja während den Dangerous-Sessions noch an diesem Song gearbeitet, der aber schliesslich erst für „Thriller 25“ veröffentlicht wurde. Spannend auch die Tatsache, dass trotz des Ausstiegs von Porcaro bei „Toto“ 1986, er 1991 zusammen mit seinem Ex-Bandkollegen David Paich für die Synthesizer-Parts auf „Heal The World“ verantwortlich war. Und es wäre auch interessant zu erfahren, wie es zur Kollaboration von David Paich und Jackie Jackson für den Jacksons-Song „Wait“, bei dem Michael einige Add-Lipps beisteuerte, kam. Vielleicht erfahren wir dies bei einem nächsten Interview.

  2. ueli Post-Autor

    Der Dank gilt insbesondere an die New York Times:-) Danke für diese spannenden Ergänzungen und Zusatzinfos. Ja, ein „in depth“-Interview mit ihm wäre interessant!

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