“Don’t Stop ‚til You Get Enough”

von Patricia Fonyad

 

Einleitung
Die meisten Fans sind mit dem Erfolg von „Thriller“ und Michael Jacksons anschliessendem Werk sehr gut vertraut. Auch die Anfangszeiten mit den Jackson 5 bei Motown sind den meisten recht gut bekannt (zumindest seit dem hier veröffentlichten Artikel „Michael & Motown“). Dahingegen sind die 1970er und frühen 1980er Jahre in Michael Jacksons Karriere für viele Fans noch immer ein eher unbekanntes Blatt. Dabei sind jene Jahre nicht im Mindesten weniger interessant und faszinierend. Denn wenn man Michael Jacksons Werk und Lebensweg in jener Zeit genauer anschaut, versteht man erst, wie es überhaupt zu „Thriller“, dem meistverkauften Album aller Zeiten, sowie der Transformation eines Prince of Pop zum one and only King of Pop und damit einem der bekanntesten und erfolgreichsten Künstler und Entertainer weltweit kommen konnte. Es war eine Zeit, in der ihn die Welt, einschliesslich die Medien, noch ohne Neid bewunderten und sich ohne Vorurteile für ihn als Künstler interessierten. Bei eingehender Betrachtung waren dies die letzten Jahre der Freiheit und Sorglosigkeit, in denen Michael noch Michael sein konnte. Aber er spürte auch, dass die Zeit für ihn gekommen war, den entscheidenden Schritt zum selbständigen und von der Familie unabhängigen Künstler zu vollziehen. Aus dem kleinen, süssen Jungen von den Jackson 5 war ein erwachsener junger Mann geworden, der bereit war, die Welt zu erobern.

 

Post-Motown: The Jacksons
Nachdem Michael Jackson und seine Brüder 1976 Motown verlassen und zu Epic (CBS) gewechselt hatten, da ihnen diese mehr künstlerische Freiheit beim Schreiben und Produzieren zugesprochen hatten, hatten die Jackson Brüder unter dem neuen Namen The Jacksons zunächst einen eher harzigen Start. „Enjoy Yourself“, „Think Happy“ und Michaels erstes Solo-Songwriting Debut mit „Blues Away“ vom „The Jacksons“ Album lieferten kleinere Erfolge. Der Druck, das Familienreich zu retten, lag auf Michaels Schultern und drohte, ihn beinahe zu erdrücken (Sheffield, 2009).

Mit dem Album „Destiny“ im Dezember 1978 übten die Jackson Brüder dann—mit Ausnahme von „Blame It On The Boogie“, der ersten Single des Albums— endlich komplett kreative Kontrolle im Bereich Songwriting und Produktion aus. Wie Sheffield (2009) schrieb, war „Destiny“ eine fantastische Platte, welche „die unnachlässige Vorwärtsbewegung von Disco mit der romantischen Wärme von Michaels Stimme“ verband. „Bereits vor seiner Zusammenarbeit mit Schlüsselfiguren wie Quincy Jones und Rod Temperton hatte Michael den [typischen] Michael Jackson Sound auf Vinyl hinterlassen“, schrieb Sheffield weiter. Das Album fing dann so richtig Feuer mit der Herausgabe der zweiten Single „Shake Your Body (Down To The Ground“). Der Song wurde von Michael und seinem Bruder Randy geschrieben und war sowohl in den USA als auch England mit Chartplatzierungen in den Top 5 ein grosser Erfolg (Cadman & Halstead, 2009). „Wenn es einen Moment gab, indem Michael erwachsen und zu Michael Jackson wurde, war es dieser Song. Bei ‚Shake Your Body’ tönt er vollkommen selbstsicher—auch wenn er noch ein verängstigter, schüchterner und ehemaliger Kinderstar war, dessen letzter grosser Erfolg Jahre zurück lag“ (Sheffield, 2009). In seiner Autobiographie „Moonwalk“ schrieb Michael Jackson, dass „Destiny“ das bis dato erfolgreichste Album der Jackson Brüder war and sie sich bewusst waren, dass sie einen Punkt erreicht hatten, in dem die Leute ihre Schallplatte kauften, weil sie wussten, dass die Gruppe gut war und bei jedem einzelnen Song und Album ihr absolut Bestes gegeben hatte (Jackson, 1988). Aber letztlich war „Destiny“ noch immer eine Familienangelegenheit – im kreativen Bereich sowie was das Management durch Vater Joe Jackson anbelangte.

Die Discozeit der 1970er Jahre war die einzige Zeit in Michael Jacksons Leben, in der er relativ unauffällig existieren konnte und das letzte Mal in seinem Leben, dass er nur eine von vielen Berühmtheiten war. „Jeder mochte es, diesen Jungen um sich herum zu haben. Aber niemand konnte damals wissen, dass dies für ihn nur eine Aufwärmphase war“ (Sheffield, 2009). Und gerade weil die Aufmerksamkeit und der Druck von aussen Michael Jackson in jener Zeit noch nicht kümmern mussten, konnte er sein Soloalbum „Off The Wall“, das nur ein Jahr nach „Destiny“ erschien, so unbeschwert angehen. Am Ende trug dieser Umstand wohl wesentlich zum grossen Erfolg von „Off the Wall“ bei sowie dazu, dass Michael Jackson „zur beliebtesten und begehrtesten Figur des Popuniversums“ (Sheffield, 2009) wurde.

Auch wenn „Destiny“ bis dato das erfolgreichste Album der Jackson Brüder war und Michael Jackon wollte, dass sein nächstes Soloalbum das bestmögliche Album werden sollte, wollte er nicht, dass die Songs von „Off the Wall“ den Anschein geben sollten, dass es sich dabei um Outtakes von „Destiny“ handelte. Aus diesem Grund wollte Michael Jackson einen neuen Produzenten von aussen anstellen, „der auch ein gutes Ohr hatte, um mir dabei behilflich zu sein, gutes Material auszusuchen, da ich wusste, dass das Publikum mehr als nur zwei gute Einzelhits auf einem Album erwarten würde. Und es war mir wichtig, dass die Fans zufrieden sein würden“ (Jackson, 1988). Die Wahl fiel auf Quincy Jones.

 

MJ & Q
Michael Jacksons erste Zusammenarbeit mit Quincy Jones—der wegen seiner Vorliebe für Barbeque auch „Q“ genannt wird—erfolgte bei den Dreharbeiten für „The Wiz“, wo Quincy Jones für die Filmmusik zuständig war. Quincy Jones war von Michael Jacksons Talent und Professionalität während der Filmaufnahmen zu tiefst beeindruckt. In einem Interview 2008 erinnerte er sich, dass „[Michael] den Dialog, die Lieder und Tanzschritte von allen anderen auswendig kannte. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der die Sachen um sich herum so rasch aufnehmen konnte“ (DeCurtis, 2009). Um vom Filmklassiker „Casablanca“ zu zitieren: Es war der Anfang einer wunderschönen Freundschaft—die sich nur wenige Jahre später als eine der erfolgreichsten Kollaborationen der modernen Musikgeschichte erwies.

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The Wiz
1977 erwarb Motown Productions die Rechte zum Broadway Musical „The Wiz“ von 1974, einer afroamerikanischen Version des Kinderbuchs „The Wonderful Wizard of Oz“. Obwohl Michael Jackson (und seine Brüder) damals Motown bereits verlassen hatten, ermutigten ihn sowohl Diana Ross als auch Berry Gordy für den Film vorzusprechen, was Michaels Herz höher schlugen liess, da er schon immer mit der Schauspielerei geliebäugelt hatte. Michael Jackson sprach für die Rolle der Vogelscheuche vor, da er „zu lebhaft für den Blechmann und zu leicht für den Löwen“ war (Jackson, 1988). „Die Arbeiten an ‚The Wiz’ waren in vielerlei Hinsicht eine wichtige Erfahrung für mich. Als Aufnahmekünstler fühlte ich mich als alter Profi, aber die Filmwelt war vollkommen neu für mich. Ich beobachtete alles sehr genau und lernte dabei sehr viel“ (Jackson, 1988). Obwohl sein Make-up täglich vier bis fünf Stunden in Anspruch nahm, genoss Michael auch diesen Teil der Filmerei. Zum einen, weil damals seine Gesichtshaut noch immer von starken Hautunreinheiten gezeichnet war, unter denen er seit seiner Pubertät psychisch stark litt, und zum anderen, weil er mit dem Make-up in eine andere Person verwandelt wurde und durch den Charakter der Vogelscheuche in eine andere Welt entfliehen konnte.

In „Moonwalk“ schrieb Michael Jackson unter anderem auch über die komplexen Tanznummern, die ihm persönlich jedoch keinerlei Schwierigkeiten bereiteten, denn schon als er klein war, musste er nur einmal zusehen, wie jemand (z.B. sein Idol James Brown) einen bestimmten Tanzschritt machte und er konnte diesen umgehend nachahmen. Dieses Talent bereitete jedoch ein kleineres Problem für seine drei Co-Stars, die bei den Tanzproben wütend auf Michael wurden. „Ich hatte keine Ahnung, was das Problem war, bis Diana [Ross] mich zur Seite nahm und mir sagte, dass ich sie blamierte. Ich? Sie sagte, sie wisse, dass ich mir nicht bewusst war, aber dass ich die Tanzschritte viel zu rasch lernte“, erzählte Michael Jackson (Jackson, 1988). Und da Diana Ross und die anderen beiden Schauspieler die Tanzschritte nicht umgehend intus hatten, sobald der Choreograph sie ihnen gezeigt hatte, war dies peinlich für sie. „Wir lachten darüber, aber ich versuchte danach die Leichtigkeit, mit der ich die Tanzschritte lernte, weniger offensichtlich zu machen“, schrieb Michael Jackson weiter (Jackson, 1988).

Michael Jackson mochte „The Wiz“ sehr, da diese 1978 Version aus seiner Sicht mehr Fragen aufwarf und realitätsnaher war, als der eher märchenhafte Klassiker von 1939 mit Judy Garland in der Rolle als Dorothy. „Ich geniesse es noch immer, mir ‚The Wiz’ anzuschauen und die Erfahrungen [vom Dreh] wieder zu erleben. Vor allem gefällt mir die Szene, als Diana fragt: ‚Wovor hab ich Angst? Ich weiss nicht, zu was ich fähig bin…’ weil ich mich das oft auch selbst gefragt hatte, auch in guten Momenten. [Dorothy] singt davon, wie sie ihre Angst überwindet und aufrecht geht. Sie und die Zuschauer wissen, dass keine drohende Gefahr sie [mehr] zurückhalten kann“, schrieb Michael Jackson (Jackson, 1988).

„The Wiz“ erhielt 1978 vier Oscarnominierungen für Best Art Direction, Best Costume Design, Best Original Music Score und Best Cinematography, war jedoch damals weder ein kommerzieller Erfolg noch wurde der Film von den Kritikern hoch geachtet. Hauptpunkte der Kritik waren, dass Diana Ross für die Rolle der Dorothy zu alt war und die entsprechend notwendigen Anpassungen des Drehbuchs die Geschichte fast unkenntlich vom erfolgreichen Broadway Musical gemacht und folglich den Film geschwächt hatten (The Wiz, 2011). Auch Michael Jackson schrieb in seiner Autobiographie, dass er es tragisch fand, dass Stephanie Mills’ wunderschöne Broadway Darstellung im Film nicht bewahrt werden konnte (Jackson, 1988). Michael Jacksons Darstellung als Vogelscheuche hingegen war einer der wenigen positiv bewerteten Elemente des Films. Kritiker bemerkten, dass Michael Jackson „wahres schauspielerisches Talent habe [und] die einzigen wirklich erinnerungswürdigen Momente lieferte“ (The Wiz, 2011).

Nachdem die Dreharbeiten zu „The Wiz“ abgeschlossen waren, rief Michael Jackson Quincy Jones an und fragte ihn, ob er einen Produzenten für sein geplantes Soloalbum vorschlagen könne. Nach einer Weile fragte Quincy Michael: „Warum lässt Du es mich nicht produzieren?“ (Jackson, 1988).

 

Off the Wall
Auch wenn sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dass Quincy Jones und Michael Jackson eines der erfolgreichsten Dreamteams der Musikgeschichte wurden, so war dies anfangs alles andere als offensichtlich. Während Michael Jackson am Anfang der Arbeiten an „Off the Wall“ im Herbst Ende 1978 gerade mal 20 Jahre alt war, war Quincy Jones damals bereits Mitte 40 und hatte schon mit Grössen wie Frank Sinatra und Miles Davis zusammengearbeitet (DeCurtis, 2009). Zudem hatte Quincy Jones in den 1970er Jahren vorwiegend an Film- und TV-Musik gearbeitet. Epic war deshalb am Anfang eher skeptisch—auch da sie Quincy Jones als zu jazzy einstuften—aber nachdem Michael darauf beharrte, dass Quincy die richtige Wahl sei, gab das Label seinen Segen zu dieser Kollaboration (DeCurtis, 2009).

„’Off the Wall’ kam zur Blütezeit des Discofiebers raus, ohne sich jedoch von den Clichés einschränken zu lassen… Seine Rhythmen sind gleichzeitig geschmeidig und antreibend, geladen, aber elegant synkopiert; die Melodien sind luftig leicht und gleichzeitig direkt und unvergesslich“ (DeCurtis, 2009). „Off the Wall“ schaffte es in den USA mit vier Singles in die Top 10, womit Michael Jackson zum wichgtisten jungen Musiker des Landes wurde. Ferner lieferte es die künstlerische Grundlage für das „Thriller“ Album, das zum meistverkauften Album aller Zeiten wurde. Quincy Jones meinte im Nachhinein, dass ihm „Off The Wall“ fast besser gefalle als Thriller: „Es war breiter. Wir haben viel ausprobiert. Wir fühlten uns frei“ (DeCurtis, 2009).

Ursprünglich, so offenbarte Michael Jackson in „Moonwalk“, sollte der Song „Girlfriend“ dem Album den Namen geben (Jackson, 1988). „Girlfriend“ wurde von Paul und Linda McCartney mit Michael im Sinn geschrieben. Michael Jackson erinnerte sich, dass Paul McCartney und er sich zum ersten Mal auf einer Party in Long Beach sahen, zu der Pauls Tochter Heather Michael Jackson eingeladen hatte (Jackson, 1988). Paul kam auf Michael zu und sagte ihm, dass er einen Song für ihn geschrieben habe und sang ihn dann Michael vor. Die beiden tauschten Telefonnummern aus und wollten bald zusammen kommen, aber es kam immer wieder etwas dazwischen und so nahm Paul McCartney den Song 1978 mit seiner Band Wings für sein eigenes Album „London Town“ auf (Jackson, 1988; London Town, 2011). Michael Jackson war entsprechend überrascht, als er und Quincy Jones bereits an „Off the Wall“ arbeiteten und Quincy eines Tages auf ihn zukam und ihm sagte: „Michael, ich habe einen Song, der perfekt für Dich ist.“ Als er ihm dann „Girlfriend“ vorspielte, erzählte ihm Michael, dass der Song ursprünglich für ihn geschrieben wurde. Und so wurde „Girlfriend“ letzlich auch von Michael Jackson, für sein eigenes Album „Off the Wall“, aufgenommen. Seems as if it was meant to be.

Die Proben für das Album fanden bei Quincy Jones zu Hause statt. „[Michael] war so schüchtern; er setzte sich hinter die Couch und sang mit seinem Rücken zu mir, während ich im dunklen Raum mit meinen Händen meine Augen verdeckt hielt“, erinnerte sich Quincy Jones (Jones, 2002). Auch Patti Austin, die mit Michael Jackson das Duett „It’s the Falling in Love“ für das Album gesungen hatte, erinnerte sich, wie schüchtern Michael war und beschrieb ihre erste Begegnung mit ihm wie folgt: „Es war, wie wenn man ein Hundebaby treffen würde – du streckst deine Hand zu ihm aus und lässt es zu dir kommen“ (DeCurtis, 2009).

Michael Jackson machte Quincy Jones gegenüber klar, dass es ihm wichtig war, dass der Sound seines neuen Soloalbums andersartig sein musste im Vergleich zum typischen Sound der Jacksons (Jackson, 1988). „Wir versuchten viele Sachen, die ich über die Jahre hinweg gelernt hatte, um [Michael] mit seiner künstlerischen Entwicklung zu helfen, um ihm Flexibilität und einen reiferen Tonumfang in den oberen und unteren Stimmlagen sowie einige Tempowechsel zu geben“ (Jones, 2002). „Ich versuchte auch, ihn für Lieder mit mehr emotionaler Tiefe zu interessieren“, erzählte Quincy Jones (Jones, 2002). „Seth Riggs, [Michael Jacksons] Vocal Coach, unterzog ihn intensiven Aufwärmübungen, um seinen oberen und unteren Bereich um mindestens einen Viertel zu erweitern. Dies brauchte ich unbedingt, damit ich das stimmliche Drama erreichen konnte“, schrieb Quincy Jones weiter.

Der erste Song auf dem Album, „Don’t Stop ’til You Get Enough“, geschrieben von Michael Jackson, ist sexy und schnell. Die Sinnlichkeit des Songs war für Michael Jackson durchaus neu und bewies, dass aus dem kleinen Jungen, der Millionen von Fans als Mitglied der Jackson 5 bezaubert hatte, ein Mann geworden war (DeCurtis, 2009; Cadman & Halstead, 2009). “Dieser Song bedeutet mir sehr viel, da es der erste Song war, den ich ganz allein geschrieben hatte. [Es] war meine erste Gelegenheit und der Song ging [bei den Billboards Hots 100 sowie den R&B Charts] gleich auf Nummer eins“ (Jackson, 1988). Neben „Don’t Stop ’til You Get Enough“ waren auch „Off the Wall” und “Rock With You” sehr erfolgreich; “Rock With You”, das in Kalifornien nach Herausgabe rasch zum Lieblingssong unter den Rollerskatern avancierte (Chase, 1979), war die zweite Singleauskoppelung und schaffte es in beiden US Charts (R&B und Billboards Hots 100) auf Platz 1 und in England auf Platz 7 (Cadman & Halstead, 2009). “Soviel up-tempo Tanzmusik ist etwas beängstigend, aber mir gefiel das Schmeichelhafte, Sanfte… Bei ‚Off the Wall’ ging ich zurück zu einer hohen Stimmlage, während ‚Rock with You’ einen natürlicheren Sound erforderlich machte. Ich fand, dass wenn man eine Party haben würde, diese beiden Songs den Leuten den Eintritt verschaffen würden und die härteren Boogie Songs die Leute in einer guten Stimmung nach Hause begleiten [würden]“ schrieb Michael Jackson (Jackson, 1988).

Abgesehen vom Hitsong „Don’t Stop ’til You Get Enough“ hatte Michael Jackson für das Album auch die beiden Dancehits „Workin’ Day and Night“ und „Get on the Floor“ geschrieben. Stevie Wonder hatte “I Can’t Help It” beigetragen und Rod Temperton hatte die drei Songs „Off the Wall“, „Rock with You“ und „Burn this Disco Out“ für das Album geschrieben. Ursprünglich hatte Rod Temperton gehofft, dass Michael und Quincy mindestens einen seiner drei Songs für ihr Album auswählen würden, aber am Ende gefielen ihnen die drei Songs so gut, dass sie allesamt fürs Album aufgenommen wurden, einschliesslich dem Song, der letztlich dem Album den Titel gab (DeCurtis, 2009). Wie bei Quincy Jones war es auch Rod Tempertons Absicht bei seinen Songs die Stärken von Michael herauszubringen: „Ich konnte von den [bisherigen] Melodien her ableiten, dass Michael gern schnelle Songs singt; er war äusserst rhythmusorientiert und so versuchte ich, Melodien mit vielen kurzen Noten für Michael zu schreiben, um ihm einige staccato Rhythmen [zum Spielen] zu geben. Der ‚Off the Wall’ Titelsong liefert das beste Beispiel [dafür]“, erinnerte sich Temperton (DeCurtis, 2009).

Rod Temperton war neben Michael Jackson, Quincy Jones und dem Soundengineer Bruce Swedien auch ein Teil des Dreamteams, das nur wenig später für den Erfolg von „Thriller“ verantwortlich sein würde. In „Moonwalk“ schrieb Michael Jackson, dass Rod Temperton und er sich sehr ähnlich waren: „Wie ich, fühlte er sich wohler, über das Nachtleben zu singen und zu schreiben als auszugehen und es auszuleben.“ Ferner offenbarte Michael Jackson, dass es ihn immer wieder überrascht, „wie die Leute annehmen, dass wenn ein Künstler etwas kreiert, dies jeweils auf einer wahren Begebenheit beruht und seinen oder ihren eigenen Lebensstil reflektiert. Oftmals könnte nichts weniger der Wahrheit entsprechen. Ich weiss, dass ich manchmal auf meine Erfahrungen zurückgreife, aber ich höre oder lese auch Sachen, die eine Idee für einen Song auslösen. Die Fantasie eines Künstlers ist sein wichtigstes Werkzeug. Es kann eine Stimmung oder ein Gefühl kreieren, das die Leute empfinden möchten und kann dich an einen vollkommen anderen Ort befördern“ (Jackson, 1988).

Michael Jackson und Quincy Jones wollten aber mehr als „nur“ gute Dancehits auf dem Album haben. So hielt Michael Jackson fest, dass es die Balladen waren, die „Off the Wall“ zum Michael Jackson Album machten (Jackson, 1988). „Ich hatte schon mit [meinen] Brüdern Balladen aufgenommen, aber sie waren nie sehr begeistert von ihnen und machten es eher, um mir einen Gefallen zu tun,“ schrieb Michael Jackson (Jackson, 1988). Eine der bekannsten Michael Jackson Balladen ist „She’s Out of My Life“, die für „Off the Wall“ aufgenommen wurde. Ursprünglich hatte Quincy Jones die Ballade für Frank Sinatra aufgespart, bot sie dann aber Michael Jackson an (DeCurtis, 2009). „Ich wusste nicht, was der Song Michael bedeuten würde. Ich glaube nicht, dass Michael bis dahin eine Beziehung dieser Reife erlebt hatte“, so Quincy Jones (DeCurtis, 2009).

In „Moonwalk“ liess sich Michael Jackson 1988 in Bezug auf dieses Lied tief in die Seele blicken: „Manchmal ist es schwierig für mich, meinen Verabredungen in die Augen zu schauen, auch wenn sie mich gut kennen. Meine Verabredungen und meine Beziehungen zu Frauen hatten nicht das Happy Ending, das ich mir gewünscht hatte. Irgendwas scheint immer dazwischen zu kommen… Viele Frauen wollen wissen, was mich bewegt—wieso ich so lebe, wie ich es tu oder die Dinge mache, die ich mache—indem sie versuchen, sich in mich hineinzuversetzen. Sie wollen mich von meiner Einsamkeit retten, aber sie machen es in einer Art und Weise, dass ich das Gefühl bekomme, dass sie meine Einsamkeit teilen wollen. Aber das wünsche ich niemandem, weil ich einer der einsamsten Menschen dieser Welt bin… Ja, es ist wahr, ich weinte am Ende der Aufnahme von ’She’s Out of My Life’, weil die Worte eine so starke Wirkung auf mich hatten. Es hatte sich soviel in mir aufgestaut. Ich war [20] Jahre alt und ich war so reich an gewissen Erfahrungen, aber so arm an Momenten wahren Glücks… Als ich am Ende der Aufnahme weinte, waren Q und Bruce Swedien die einzigen Leute im Studio. Ich erinnere mich, wie ich mein Gesicht in meinen Händen vergraben hatte und neben meinem Schluchzen konnte ich nur das Summen der Aufnahmemaschinen im Raum hören. Ich entschuldigte mich später, aber sie sagten, das sei nicht nötig“ (Jackson, 1988).

Auch Bruce Swedien erinnerte sich, wie Michael am Ende jeder der sechs bis sieben Aufnahmen von „She’s Out of My Life“ weinte (Swedien, 2009). Nach der letzten Aufnahme, so Bruce Swedien, schlich sich Michael leise durch die Hintertür aus dem Studio raus und stieg in seinen Wagen ein. Quincy Jones sagte dann zu Bruce Swedien: „Hey—dieser Schluchzer am Ende… Lass ihn drin“ (Swedien, 2009). Ferner erinnerte sich Bruce Swedien, daran, wie Michael Jackson, Quincy Jones und er am Tag der Aufnahme von „She’s Out of My Life“ bereits ein paar Stunden vorher im Studio waren, um alles vorzubereiten. Michael Jackson war am Schlagzeug und sang aus voller Seele. Aber jedes Mal, als sie zum Ende des dritten Verses und der Zeile „damned indecisions and cursed pride“ [verdammte Unentschlossenheit und verfluchter Stolz] kamen, konnte Michael das Wort „damned“ nicht aussprechen. Er brachte es einfach nicht über sich zu fluchen und anstatt „damned“ zu singen, trat er beim Schlagzeug so laut wie möglich auf das Bassfusspedal. Nach den Proben sagte Quincy ganz ruhig zu Michael, dass er bei der Aufnahme das Wort „damned“ unbedingt singen müsse. Michael nickte und sagte „ich weiss“ (Swedien, 2009).

 

1980 Awards & die Motivation für „Thriller“
Das Album „Off the Wall“ wurde sowohl von der Öffentlichkeit als auch den Kritikern hoch gelobt und die Verkaufszahlen konnten sich sehen lassen. 1980 wurde Michael Jackson für dieses Soloalbum auch mehrfach ausgezeichnet. So erhielt er drei American Music Awards für: Favorite Soul/R&B Album, Favorite Mal Soul/R&B Artist und Favorite Soul/R&B Single für „Don’t Stop ’til You Get Enough“ (7th American Music Awards, 2011). Zudem erhielt er die Auszeichnungen Top Black Artist und Top Black Album bei den Billboard Music Awards und bei der Grammyverleihung wurde Michael Jackson mit einem Grammy für „Best Male R&B Vocal Performance“ für „Don’t Stop ’til You Get Enough“ augezeichnet (Off the Wall, 2011). Dass er nur einen Grammy erhalten hatte und das Album für keine der drei Hauptkategorien (einschliesslich Album des Jahres) nominiert worden war, war für Michael Jackson eine Riesenenttäuschung. Er glaubte, der Grund für die limitierte Anerkennung von „Off the Wall“ lag daran, dass er ein schwarzer Künstler war und ihn die Musikindustrie in der Nische des schwarzen Sängers, der lediglich Tanzmusik machte, behalten wollte (DeCurtis, 2009).

Michael Jackson schrieb: „Mein Stolz auf die Rhythmen und technischen Fortschritte sowie den Erfolg von ‚Off the Wall’ wurden gedämpft, als die Grammynominierungen 1979 rauskamen. Obwohl ‚Off the Wall’ eines der beliebtesten Alben des Jahres war, erhielt es nur eine Nominierung: Best R&B Vocal Performance [für ‚Don’t Stop til You Get Enough’]… Ich fühlte mich ignoriert von meinen Kollegen und es tat weh. Die Leute sagten mir später, dass die [Musik-]Industrie auch überrascht war. Ich war enttäuscht und dann aufgeregt, was mein nächstes Album anbelangte. Ich sagte mir: ‚Wartet nur bis zum nächsten Mal’—das nächste Album werden sie nicht mehr ignorieren können… In vieler Hinsicht ist ein Künstler sein Werk. Es ist schwierig, die beiden zu trennen. Ich denke, ich kann grausam objektiv sein, wenn ich mein Werk kreiere und wenn etwas nicht funktioniert, dann spür ich das. Aber wenn ich ein fertiges Album oder einen fertigen Song einreiche, kannst du sicher sein, dass ich jede Unze von Energie und dem mir von Gott gegebenen Talent darin investiert habe. ‚Off the Wall’ ist bei meinen Fans gut angekommen und ich glaube, das war der Grund, weshalb die Grammynominierungen so weh taten. Diese Erfahrung hat in meiner Seele ein Feuer entfacht. Das Einzige, woran ich denken konnte, war mein nächstes Album und was ich damit machen wollte. Es sollte einfach grossartig werden“ (Jackson, 1988).

Zumindest konnte Michael Jackson noch miterleben, dass das „Off the Wall“ Album im Jahre 2008 in die Grammy Hall of Fame aufgenommen wurde—eine Auszeichnung, die Aufnahmen ehrt, welche mindestens 25 Jahre alt sind und eine besondere qualitative oder historische Bedeutung haben (Grammy Hall of Fame Award, 2011).

 

Die Zeit nach „Off the Wall“
Trotz seines Erfolges mit „Off the Wall“ war Michael Jackson noch immer gefangen in der Gruppe mit seinen Brüder. Und so ging es im Anschluss an die Aufnahme von „Off the Wall“ gleich zurück ins Studio, um mit seinen Brüdern das „Triumph“ Album aufzunehmen, das im Oktober 1980 herauskam. Nachdem Michael Jackson seine Freiheit mittlerweile bereits hatte geniessen können und er gesehen hatte, wie gut sein Solowerk sowohl beim Publikum als auch den Kritikern angekommen war, fiel ihm die Rolle als Teamplayer vermehrt schwieriger. Sheffield (2009) bemerkte, wie man Michaels neue Zuversicht auf dem „Triumph“ Album hören konnte. „’Destiny’ und ‚Triumph’ waren von Michaels erfolgreichem [gesamten] Solowerk so überschattet, dass sie meist nicht mehr als verborgene Schätze geblieben sind, welche sogar den meisten Michael Fans nicht bekannt sind. Auf eine Art und Weise repräsentieren jedoch gerade die Lieder auf diesen Alben den Sound von Michael, mit dem er sich von seiner Vergangenheit loszulösen versuchte. In seiner Stimme konnte man hören, dass er wusste, wie es sich anfühlte, von der Musikwelt zurückgewiesen und verlassen zu werden. Man konnte aber auch seine Entschlossenheit hören, dass dies nie wieder vorkommen sollte“ (Sheffield, 2009).

Aber auch wenn, so DeCurtis (2009), Michael Jackson mit „Thriller“ die untergegangenen Grammys von 1980 wettmachen und den enormen kommerziellen Erfolg erzielen konnte, hatte er vielleicht etwas noch Grösseres verloren, denn „’Off the Wall’ verkörpert eine Leichtigkeit und lockere Zuversicht, die man in den späteren Alben von Michael Jackson immer weniger findet, wie grossartig und wichtig viele der späteren Lieder auch waren“ (DeCurtis, 2009).

„Das, was ich am meisten daran liebe auf der Bühe zu stehen ist, dass ich die Menschen glücklich machen kann. Und ich spüre, dass dies der Grund ist, weshalb ich hier auf der Welt bin. Es ist meine Aufgabe, die Menschen glücklich zu machen. … Und solange die Leute sich über das freuen, was ich mache, werde ich immer glücklich sein.”
Michael Jackson (Chase, 1979)

 

Quellen:

7th American Music Awards. (2011). Rock on the Net. Abgerufen am 1. Maerz 2011 von http://www.rockonthenet.com/archive/1980/amas.htm.
– Cadman, C. & Halstead, C. (2009). Michael Jackson: For the record (2. Auflage – ueberarbeitet und erweitert). Bedforshire/UK: Authors OnLine Ltd.
– Chase, S. (1979). ABC 20/20: Michael Jackson Interview. Abgerufen am 22. Oktober 2009 von http://www.youtube.com/watch?v=xcY1f9ja6NQ
– DeCurtis, A. (2009). Michael reinvents Pop. In Rolling Stone, Michael Jackson, 1958-2009 (S. 42-45).
– Grammy Hall of Fame Award (2011). Grammy. Abgerufen am 1. Maerz 2011 von https://www2.grammy.com/Recording_Academy/Awards/Hall_of_Fame/Default.aspx#o
– Jackson, M. (1988). Moonwalk. New York: Harmony Books (Random House, Inc.).
– Jones, Q. (2002). Q: The autobiography of Quincy Jones. New York: Broadway Books.
– London Town. (2011). Wikipedia, The Free Encyclopedia. Abgerufen am 1. Maerz 2011 von http://en.wikipedia.org/wiki/London_Town_(album)
– Off the Wall. (2011). Wikipedia, The Free Encyclopedia. Abgerufen am 1. Maerz 2011 von http://en.wikipedia.org/wiki/Off_the_Wall_(album)#cite_note-42
– Sheffield, R. (2009). When Michael became Michael. In Rolling Stone, Michael Jackson 1958-2009 (S. 38-41).
– Swedien, B. (2009). In the studio with Michael Jackson. New York: Hal Leonard Books.
– The Wiz. (2011). Wikipedia, The Free Encyclopedia. Abgerufen am 1. Maerz 2011 von http://en.wikipedia.org/wiki/The_Wiz_(film)