KINGvention 2023 – The Maestro

Vanita Balfer

Am 27. Oktober habe ich mich auf den Weg in ein Abenteuer gemacht. Ganz früh ging es los nach London, um erstmal die Stadt zu „erobern“. So konnte ich am Morgen des folgenden Samstags, 28. Oktober, zum Ort des Geschehens starten: zur KINGvention, die dieses Jahr zum ersten Mal in der Glaziers Hall, direkt südlich der London Bridge, stattfand.

In den vorigen Jahren war ich leider noch nicht dabei, deswegen kann ich zur alten Location nichts sagen; die neue jedenfalls ist toll. Es gibt einen Vorraum zur Kontrolle der Eintrittskarten und Ausgabe der Lanyards, einen großen Eingangsbereich mit Platz für einen Merch-Stand, zwei Vitrinen mit beeindruckenden Sammlerstücken (eine davon bestückt durch Nobuyuki, der eigens aus Japan angereist war, die andere durch Pez und Sebastian); rechts geht es in den großen Saal, der an diesem Wochenende „Someplace Else“ hieß; im oberen Stockwerk gab es einen Marktraum, in dem allerhand CDs, Plakate, Kleidung und vieles mehr verkauft wurden (sowohl Schnäppchen wie seltene Teile, Peggy Wolf war mit ihren Arbeiten vor Ort, ebenso der Michael Jackson Book Club und auch The Journal of Michael Jackson Academic Studies – zu letzterem folgt später mehr), einen Ausstellungsraum mit Stellwänden und einer Videoleinwand zum HIStory Teaser (s.u.), sowie der edel eingerichteten „Neverland Library“; im Kellergewölbe, das auf „Club 30s“ getauft war, war eine Musikanlage installiert. Und das alles im urigen Ambiente eines ehemaligen Lagerhauses – herrlich!

Besondere Ausstellungsstücke

Da Jenny, Mathias und ich im Namen des Michael Jackson Podcasts vor Ort waren, hatten wir uns als Influencer angemeldet und durften somit schon vor Vielen anderen eintreten und die erste Attraktion bewundern: Michael Jacksons original Spike-Kostüm aus Moonwalker, ein Jackson 5-Plakat, sowie Michaels schwarz-weiße Jacke von Beat It waren ausgestellt. Die Dinge wurden kürzlich in einer Auktion angeboten, und Marc von Prop-Store beantwortete bereitwillig alle Fragen dazu und erklärte Wissenswertes.

(Den deutschen Michael Jackson Podcast kannst du hier beispielsweise bei Spotify anhören.)

  

«7»

Und zu einer weiteren Veranstaltung erhielten neben den Gästen, die den Zugang bezahlt hatten, auch wir Influencer Zutritt. Wir hatten gerätselt, was wohl „7“ sein würde, und niemals hätten wir damit gerechnet: Wir sahen eine alternative Version des Scream-Kurzfilms, mit teilweise anderen Szenen, Manga-Sequenzen und leicht anderen Schriftzügen. Diese Fassung kannten wohl bisher nur Sony und Michael – und nun auch wir. Fast sprachlos verließen wir den Vorführraum, doch die nächsten Eindrücke ließen natürlich nicht lange auf sich warten.

Rupert Wainwright: Die Erschaffung des HIStory Teasers

Der erste Gast auf der Bühne war Rupert Wainwright, der Mann hinter dem HIStory Teaser. Als früherer Schauspieler und dann Regisseur für Film und TV, sowie auch Musikvideos und Werbung war er im Jahr 1994 sicher die perfekte Wahl für die Ankündigung zu Michael Jacksons neuem Album. Neben der Regie war er auch in die Entwicklung des Konzepts selbst involviert, und so konnte er dem gebannten Publikum viele Einblicke in die Entstehung und Bedeutung der Elemente geben.

Er legte zum Beispiel dar, dass Michael Inspiration im Film Triumph des Willens aus dem Jahre 1935 gefunden hatte, einem NS-Propagandafilm unter der Regie und produziert von Leni Riefenstahl. Natürlich ging es ihm dabei nicht um Hitler oder sonstigen Inhalt, sondern um die Kameraeinstellungen, die ihn beeindruckt hatten. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, entschied sich Rupert Wainwright, den HIStory Teaser optisch an den Kommunismus anzulehnen, sozusagen als Gegengewicht zum Faschismus. Aus diesem Grund sind die gezeigten Schriftzeichen dem kyrillischen Alphabet ähnlich, anstelle der SS-Runen im Film. Er berichtete, dass der Kommunismus zu der Zeit recht populär war.

Harmonie und Auseinandersetzung

Weiter erklärte er uns, dass die Sprache Esperanto zum Einsatz kam, weil sie als internationale Sprache erfunden wurde und somit eine Parallele zur universellen Sprache der Musik verwendet wurde.

Trotzdem wollte Michael unbedingt einige Plakate mit englischer Aufschrift sehen, auf denen Dinge wie „King of Pop“ stehen sollten; weil er und Rupert Wainwright sich darüber nicht einigen konnten, sagte letzterer nach eigenen Angaben irgendwann telefonisch „Fuck you“ zu Michael und legte einfach auf. Kurz darauf, er hatte sich inzwischen beruhigt, wurde er vom Management angerufen und gefragt, ob er gerade wirklich einfach das Telefonat beendet habe. Da er als Ausrede auf die schlechte Verbindung zwischen den USA und Ungarn verwies, war die Anschlussfrage, ob denn dieser auch „Fuck you“ gesagt habe. Bei seinem Auftritt musste er darüber herzlich lachen.

Auch sonst erzählte er mit Freude und großem Respekt von seiner Arbeit mit Michael Jackson. Diese Auseinandersetzung hat ihrer Beziehung offenbar keinen Abbruch getan.
Auch sonst hatte Michael sehr genaue Vorstellungen und ging sogar so weit, seinem Regisseur Vorgaben zu Größe, Haarfarbe usw. der Nebendarsteller:innen zu übermitteln.

 

Unvorhergesehenes und Vermeidbares

Eine andere Anekdote handelte von den Soldaten, die im Teaser auftreten. Es sollten unbedingt echte sein, damit sie sich authentisch verhalten würden, und so wurde kurzerhand ein Vertrag mit dem ungarischen Militär verhandelt. Die Soldaten waren ausstaffiert, man war fast bereit zum Dreh, doch etwa 40 Stunden vor dem Beginn waren sie mit einem Mal nicht mehr verfügbar – denn sie mussten in einen realen Einsatz im Kosovo. Das stellte Wainwright vor ein organisatorisches Problem, das aber glücklicherweise durch 200 ehemalige Fallschirmjäger aus Großbritannien gelöst werden konnte. Sie wurden kurzerhand eingeflogen, und das Projekt konnte weitergehen.

Bei den Aufnahmen des Marsches über die Brücke wurde das Team instruiert, auf jeden Fall den Gleichschritt zu vermeiden. Hierdurch könnten Schwingungen so verstärkt werden, dass die ganze Brücke instabil würde. Natürlich hätte das aber seltsam ausgesehen, daher war die Absprache: Die Soldaten gehen ein Stück locker, dann eine feste Zeitspanne im Gleichschritt, und dann auf Wainwrights Kommando wieder locker weiter. Allerdings war er von dem Anblick der marschierenden Männer so beeindruckt, dass er das Kommando zunächst vergaß, worauf die Brücke bedenklich schwankte. Zum Glück kam es nicht zum Einsturz, und die Arbeiten konnten vorangehen.

Mit den ersten Ergebnissen war Michael mehr als zufrieden, sodass er den Plan, seine Aufnahmen in den USA zu machen, aufgab und unbedingt in Budapest dabei sein wollte. Das verlängerte die Zeit, die vor Ort gebraucht wurde, von zwei auf vier Tage, u.a. weil er mit Lisa Marie anreiste und es somit die ersten Fotos von dem frisch getrauten Paar gab.

  

Fragen der Umsetzung

Zum Dreh selbst berichtete Rupert Wainwright, dass der Heldenplatz der ungarischen Hauptstadt als Vorlage für das Setting diente, in der Miniatur die zwei Bögen jedoch vermehrt wurden. Das Blitzlichtgewitter um die Statue, die Michael nie als Statue von sich bezeichnete, sondern stets als „Statue der Musik“, wurde erzeugt, indem reflektierende Schnipsel darum verteilt wurden. Durch die Bewegung der Kamera und die sich spiegelnden Lichter entstand der Effekt. Auch von den Aufnahmen in der Gießerei war Wainwright sehr angetan, und er ergänzte, dass später wegen Materialknappheit die Fabrik selbst eingeschmolzen wurde.

Zunächst nicht begeistert war er von den Aufnahmen des Hubschraubers – zum einen wegen der Symbolik (ein Schnitt zwischen einem Jungen und dem Flug durch den Schritt der Statue fand er zu gewagt so bald nach den Chandler-Anschuldigungen), und zum anderen weil sie optisch zunächst nicht gut wirkten. Letzteres änderte sich aber auf Film deutlich.

Rupert Wainwright gibt zu, dass Michael mit einigen Details, die er so genau bestimmte, auch bei Sony aneckte. Natürlich war der ganze Teaser nicht gerade günstig, so dass um jede Bildeinstellung verhandelt wurde. (Teilweise soll Sony sich gar geweigert haben, Rechnungen zu bezahlen, mit der Behauptung, überhaupt nur „unter Druck“ unterschrieben zu haben. Solche Verzögerungen und ggf. rechtliche Auseinandersetzungen konnten manche Firmen ruinieren.) Doch am Ende, so Wainwright, hatte Michael immer Recht: „Es mochte aussehen, als sei es völlig verkehrt. Aber er wusste es. […] Er gab den Menschen, was sie wollten. […] Er wusste instinktiv, was seine Fans wollten. Und er gab es ihnen. Bis zum Ende.“

So kam es auch, dass Rupert Wainwright unverhofft Bekanntschaft mit Karen Faye machte. Bei einer Besprechung mit Michael war sie unangekündigt anwesend und mischte sich in die Besprechung des Storyboards ein. So war Wainwright entrüstet, dass sie auch am Set mit von der Partie war – bei weitem nicht nur für Michaels Haar und Makeup, sondern schon lange vorher, um sicherzustellen, dass keinerlei Schatten auf dem Hauptdarsteller liegen würden. Als nach Stunden alles perfekt ausgeleuchtet war und man drehen wollte, hieß es, Michael sei noch gar nicht anwesend, sondern nehme noch schnell ein Bad im Hotel…

Schließlich erzählte Rupert Wainwright, dass er und sein Team den Teaser fertiggestellt hatten, doch Michael erstellte einen neuen Mix. Zunächst fühlte Wainwright sich vor den Kopf gestoßen, doch dann musste er zugeben, dass die neue Version einfach perfekt war.

Freut euch auf den Bericht zu Tänzerin Cindera Che, die Einführung in Michael Jackson Academic Studies durch Elizabeth Amisu, den Komponisten Nicholas Pike, die Party und noch viel mehr in den nächsten Teilen über die KINGvention 2023! Keep Michaeling!


KINGvention 2023 – The Maestro
Teil 2 (Vanita Balfer)

Interview mit Cindera Che


Cindera Che ist eine Erscheinung. Die Tänzerin, die wir alle als die Club-Besitzerin aus dem Kurzfilm zu Smooth Criminal kennen – und vielleicht auch aus den Musikvideos zu Jermaines Perfect, Body von den Jacksons oder Filmen wie La La Land –, kommt so voller Energie auf die Bühne getanzt, dass sie den ganzen Saal zum Leuchten bringt. Ihre Intention ist es, Liebe auszustrahlen, und das kommt an.

Dabei startete sie ganz anders: Als Kind taiwanesischer Einwanderer war sie dazu erzogen worden, sich brav an Vorschriften und Anstandsregeln zu halten, sich stets zu kontrollieren und zurückzuhalten. Ihr Vater betrachtete den Beruf Tänzerin auch nicht als etwas Ernstzunehmendes.
Trotzdem verfolgte sie diesen Traum, und als sie einen Flyer sah, auf dem „Menschen aller Formen und Größen“ zu einem Casting aufgerufen wurden, kam ihr das wie gerufen – sie betont, dass sie sich angesprochen fühlte, weil sie in ihren eigenen Augen „nicht den perfekten Körper“ besaß. Zum besagten Casting erschienen allerdings etwa 2000 Personen – und Vincent Paterson. Cindera Che wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es um einen Dreh für und mit Michael Jackson ging, aber sie kannte Paterson bereits vom Dreh mit Jermaine. Daher rief er sie auch persönlich an, um ihr die Rolle zuzusagen und sogleich zu beschreiben. Erst jetzt erfuhr sie, was sie da genau erreicht hatte.

Smooth Criminal

Die erste Begegnung mit Michael am Set beschreibt sie als „atemberaubend“. „Seine Präsenz […] gebietet es einem, selbst wirklich präsent zu sein, im Moment zu sein.“ Sie wusste genau, dass sie sich nun zusammenreißen und konzentrieren musste, sich keine Schwäche erlauben durfte. Das verlangte ihr viel ab, da manche Teile des Films improvisiert wurden. So musste sie sich z.B. ganz auf Michael einlassen, als sie ihm die Hand auf die Brust legte, um ihm bei seinen Bewegungen nicht in die Quere zu kommen. Besonders schwer fiel ihr die sog. Schlangengruben-Szene (snakepit scene), in der die Musik in den Hintergrund tritt und alle Tänzer:innen sich langsam und lasziv bewegen. Hier sollte sie sich plötzlich einfach dem Augenblick hingeben, sich gehen lassen und Emotionen zum Ausdruck bringen – das völlige Gegenteil dessen, was ihr von klein auf beigebracht worden war. Sie tat ihr Bestes, und doch sieht man sie im Film kurz zusammengekauert am Boden, mit den Händen über ihrem Kopf, weil sie sich am liebsten nur verstecken wollte.

Cindera hatte bereits eine Rolle im Musikvideo zu Body von The Jacksons gespielt und beschrieb diese Arbeit als eine Art „Party“, als großen Spaß. Der Dreh zu Smooth Criminal dagegen war ernsthafter, hier ging es nicht um einen Videoclip, sondern um einen Kurzfilm, um ein Kunstwerk. Als sie diese Erfahrung auf ein Wort bringen sollte, wählte sie daher den Begriff „mastery“, also „meisterliches Können“. Auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit Michael Jackson als Chef erklärte sie, dass Andere ihn zwar als „fordernd“ beschreiben, doch sie bezeichne ihn eher als „bestrebt“; er wollte offenbar immer das bestmögliche Ergebnis erzielen, ohne jedoch anderen Menschen das Leben schwer zu machen. So blieb er bei Fehlern stets ruhig und ließ etwas einfach nochmals durchführen, bis es passte. Hieraus zog Cindera Che eine wichtige Lektion für ihr ganzes Leben.

Auch die Leben vieler anderer Menschen hat ihr Auftritt in diesem Werk berührt, denn in den 1980er Jahren waren asiatische Personen in den Medien so gut wie nicht präsent. Hier übernahm Cindera Che damals unbeabsichtigt die große und wichtige Aufgabe der Repräsentation, was eine Zuhörerin bekräftigte. Statt dies zu realisieren war sich die Tänzerin aber zu der Zeit ihres Wertes nicht bewusst, sondern beobachtete zuerst alles vermeintlich Negative an ihrer Arbeit. So war sie unzufrieden, dass sie im Kurzfilm kaum wirklich tanzend zu sehen war. Erst seit sie nach Michaels Tod begann, sich für sein Vermächtnis einzusetzen, so sagte sie, könne sie auch ihre eigene Bedeutung wertschätzen.

Bald wird es weitergehen mit der Einführung in Michael Jackson Academic Studies durch Elizabeth Amisu, mit Nicholas Pike, dem Komponisten von Ghosts, dem Lichtdouble Craig Lamont Parks und einigem mehr. Keep Michaeling!

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