Vom Smooth Criminal Dreh handelt der zweite Bericht von der Kingvention in London:
KINGvention 2023 – The Maestro
Teil 2 (Vanita Balfer)
Interview mit Cindera Che
Cindera Che ist eine Erscheinung. Die Tänzerin, die wir alle als die Club-Besitzerin aus dem Kurzfilm zu Smooth Criminal kennen – und vielleicht auch aus den Musikvideos zu Jermaines Perfect, Body von den Jacksons oder Filmen wie La La Land –, kommt so voller Energie auf die Bühne getanzt, dass sie den ganzen Saal zum Leuchten bringt. Ihre Intention ist es, Liebe auszustrahlen, und das kommt an.
Dabei startete sie ganz anders: Als Kind taiwanesischer Einwanderer war sie dazu erzogen worden, sich brav an Vorschriften und Anstandsregeln zu halten, sich stets zu kontrollieren und zurückzuhalten. Ihr Vater betrachtete den Beruf Tänzerin auch nicht als etwas Ernstzunehmendes.
Trotzdem verfolgte sie diesen Traum, und als sie einen Flyer sah, auf dem „Menschen aller Formen und Größen“ zu einem Casting aufgerufen wurden, kam ihr das wie gerufen – sie betont, dass sie sich angesprochen fühlte, weil sie in ihren eigenen Augen „nicht den perfekten Körper“ besaß. Zum besagten Casting erschienen allerdings etwa 2000 Personen – und Vincent Paterson. Cindera Che wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es um einen Dreh für und mit Michael Jackson ging, aber sie kannte Paterson bereits vom Dreh mit Jermaine. Daher rief er sie auch persönlich an, um ihr die Rolle zuzusagen und sogleich zu beschreiben. Erst jetzt erfuhr sie, was sie da genau erreicht hatte.
Smooth Criminal
Die erste Begegnung mit Michael am Set beschreibt sie als „atemberaubend“. „Seine Präsenz […] gebietet es einem, selbst wirklich präsent zu sein, im Moment zu sein.“ Sie wusste genau, dass sie sich nun zusammenreißen und konzentrieren musste, sich keine Schwäche erlauben durfte. Das verlangte ihr viel ab, da manche Teile des Films improvisiert wurden. So musste sie sich z.B. ganz auf Michael einlassen, als sie ihm die Hand auf die Brust legte, um ihm bei seinen Bewegungen nicht in die Quere zu kommen. Besonders schwer fiel ihr die sog. Schlangengruben-Szene (snakepit scene), in der die Musik in den Hintergrund tritt und alle Tänzer:innen sich langsam und lasziv bewegen. Hier sollte sie sich plötzlich einfach dem Augenblick hingeben, sich gehen lassen und Emotionen zum Ausdruck bringen – das völlige Gegenteil dessen, was ihr von klein auf beigebracht worden war. Sie tat ihr Bestes, und doch sieht man sie im Film kurz zusammengekauert am Boden, mit den Händen über ihrem Kopf, weil sie sich am liebsten nur verstecken wollte.
Cindera hatte bereits eine Rolle im Musikvideo zu Body von The Jacksons gespielt und beschrieb diese Arbeit als eine Art „Party“, als großen Spaß. Der Dreh zu Smooth Criminal dagegen war ernsthafter, hier ging es nicht um einen Videoclip, sondern um einen Kurzfilm, um ein Kunstwerk. Als sie diese Erfahrung auf ein Wort bringen sollte, wählte sie daher den Begriff „mastery“, also „meisterliches Können“. Auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit Michael Jackson als Chef erklärte sie, dass Andere ihn zwar als „fordernd“ beschreiben, doch sie bezeichne ihn eher als „bestrebt“; er wollte offenbar immer das bestmögliche Ergebnis erzielen, ohne jedoch anderen Menschen das Leben schwer zu machen. So blieb er bei Fehlern stets ruhig und ließ etwas einfach nochmals durchführen, bis es passte. Hieraus zog Cindera Che eine wichtige Lektion für ihr ganzes Leben.
Auch die Leben vieler anderer Menschen hat ihr Auftritt in diesem Werk berührt, denn in den 1980er Jahren waren asiatische Personen in den Medien so gut wie nicht präsent. Hier übernahm Cindera Che damals unbeabsichtigt die große und wichtige Aufgabe der Repräsentation, was eine Zuhörerin bekräftigte. Statt dies zu realisieren war sich die Tänzerin aber zu der Zeit ihres Wertes nicht bewusst, sondern beobachtete zuerst alles vermeintlich Negative an ihrer Arbeit. So war sie unzufrieden, dass sie im Kurzfilm kaum wirklich tanzend zu sehen war. Erst seit sie nach Michaels Tod begann, sich für sein Vermächtnis einzusetzen, so sagte sie, könne sie auch ihre eigene Bedeutung wertschätzen.
Bald wird es weitergehen mit der Einführung in Michael Jackson Academic Studies durch Elizabeth Amisu, mit Nicholas Pike, dem Komponisten von Ghosts, dem Lichtdouble Craig Lamont Parks und einigem mehr. Keep Michaeling!
Die allgemeinen Informationen zur diesjährigen Location, zu den Ausstellungen, sowie zu 7 und Rupert Wainwright findet ihr in Teil 1